21.9.2010

Fluglärm: Jetzt ist die Mitwirkung der Bevölkerung gefordert

Bis 29. Oktober 2010 können Bevölkerung und Behörden in zwei parallel laufenden Verfahren zum künftigen An- und Abflugverkehr am Zürcher Flughafen Stellung nehmen. Bis dahin läuft zum einen auf Bundesebene das öffentliche Anhörungsverfahren zum Objektblatt Flughafen Zürich des Sachplans Infrastruktur Luftfahrt (SIL). Darauf abgestimmt führt zum andern der Kanton Zürich die öffentliche Auflage zur Teilrevision des Richtplans, Kapitel 4.7.1 "Flughafen Zürich", durch. Die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Winterthur sind aufgerufen, sich zu den Absichten von Bund und Kanton zu äussern und insbesondere die geplante Verlängerung der Piste 28 und damit eine verstärkte Ostausrichtung des Flugverkehrs abzulehnen.


Die Unterlagen zum SIL-Objektblatt Flughafen Zürich und zur Teilrevision der Richtplanung für das Flughafengebiet enthalten gegenüber den Entwürfen keine wesentlichen Neuerungen. Sie basieren auf den drei Betriebsvarianten, die vom Bund gemäss den Ergebnissen des SIL- Koordinationsprozesses favorisiert werden. Während die beiden Varianten "E optimiert" und "E DVO" auf dem heutigen Pistensystem beruhen und weitgehend dem heutigen Flugregime entsprechen, sieht die Variante "J optimiert" eine Verlängerung unter anderem der Piste 28 vor. Dies würde eine Verdoppelung des Flugverkehrs im Osten und eine Entlastung im Süden mit sich bringen.

Der Stadtrat wird seine Stellungnahmen in diesen beiden Verfahren im Wesentlichen auf seine bisherige Haltung stützen; im Zentrum steht dabei die unmissverständliche Ablehnung der geplanten Pistenverlängerungen. Es ist dem Stadtrat ein grosses Anliegen, dass möglichst zahlreiche Winterthurerinnen und Winterthurer die Unterlagen einsehen und dem Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) bzw. dem kantonalen Amt für Raumordung und Vermessung (ARV) ihre persönlichen Stellungnahmen zukommen lassen.

In formeller Hinsicht ist der Stadtrat weiterhin der Auffassung, dass beide Verfahren einstweilen sistiert werden sollten. Die Richtplanrevision ist solange auszusetzen, bis die Zürcher Bevölkerung über die so genannte Behördeninitiative 2 ("Keine Neu- und Ausbauten von Pisten“) abgestimmt hat, welche von der Stadt Winterthur mitinitiiert und vom Kantonsrat mit grosser Mehrheit unterstützt worden ist. Mit diesem Initiativbegehren verlangen 42 Kantonsgemeinden, dass sich der Kanton Zürich für einen Verzicht auf einen Pistenausbau am Flughafen Zürich einsetzt. Eine Annahme dieser Behördeninitiative durch die

Stimmbevölkerung würde die Flughafenpolitik der Zürcher Regierung und damit auch die Richtplanung erheblich beeinflussen. Es werden deshalb demokratische Mitwirkungsrechte desavouiert, wenn die Richtplanüberarbeitung trotzdem weitergeführt und auf diese Weise vor der erwähnten Volksabstimmung ein "Fait accompli" geschaffen wird.

Auch mit der Weiterführung des SIL-Prozesses ist nach Auffassung des Stadtrates zuzuwarten. Die Ausgestaltung des künftigen Flugbetriebs am Flughafen Zürich hängt massgeblich vom Ausgang der noch laufenden Verhandlungen mit Deutschland über die Beilegung des Fluglärmstreits ab. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch das noch nicht abgeschlossene Verfahren vor den europäischen Gerichten über die Benützung des süddeutschen Luftraums. Angesichts dieser unklaren Rahmenbedingungen ist es nicht sinnvoll, im SIL-Objektblatt raumplanerische Dispositionen für den Flughafen zu treffen, die unter Umständen schon bald wieder revidiert werden müssen.

Inhaltlich vertritt der Stadtrat übereinstimmend mit der RWU Regionalplanung Winterthur und Umgebung sowie der Interessengemeinschaft Region Ost sowohl mit Bezug auf das SIL- Objektblatt als auch hinsichtlich der Richtplanrevision den Standpunkt, dass sich die raumplanerischen Festlegungen für den Flughafen ausschliesslich an den Betriebsvarianten "E optimiert" und "E DVO" orientieren sollen. Auf diese Weise ist auch langfristig sicherzustellen, dass sich der Flugverkehr an der gewachsenen Nordausrichtung orientiert und die durch die deutschen Überflugbeschränkungen belasteten Gebiete nicht noch stärker beeinträchtigt werden. Der Stadtrat hat sich demgegenüber bereits verschiedentlich und mit Nachdruck gegen die Variante "J optimiert" ausgesprochen, da sie auf dem Stadtgebiet Winterthur zu einer beträchtlichen Zunahme der Fluglärmbelastung führen würde. Diese Betriebsvariante ist in erster Linie auf eine Entlastung der Gebiete im Süden des Flughafens ausgerichtet. Der Stadtrat ist klar der Meinung, dass aus Gründen der gesellschaftlichen Solidarität die gesamte Flughafenregion einen angemessenen Teil der Lasten des Flugverkehrs zu tragen hat und keine Himmelsrichtung davon ausgenommen werden darf.

Eine Beschränkung der Raumplanung auf die Betriebsvarianten "E optimiert" und "E DVO" ist auch deshalb angezeigt, weil die drei Betriebsvarianten "E optimiert", "E DVO" und "J optimiert" ungefähr gleich grosse Verkehrskapazitäten – rund 350'000 Flugbewegungen pro Jahr – bewältigen können. Mit den geplanten Pistenverlängerungen, welche die Betriebsvariante "J optimiert" vorsieht, könnte also keine Kapazitätssteigerung erreicht werden. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, weshalb die immense Summe von schätzungsweise über zwei Milliarden Franken in einen Pistenausbau investiert werden sollte. Allein die Lärmentlastung für den Süden – die Landungen würden neu mehrheitlich in den Osten, die Starts in Richtung Norden verlegt – dürfte wohl kaum ein genügender Investitionsanreiz für einen derart teuren Ausbau sein. So käme es beispielsweise im Strassenverkehr wohl auch niemandem in den Sinn, mit dem Argument des Lärmschutzes eine Milliardensumme auszugeben, um Teile einer Autobahn aus einem Siedlungsgebiet in eine allenfalls etwas bevölkerungsärmere Region zu verlegen. Es daher nicht gerechtfertigt, die Variante "J optimiert" raumplanerisch weiter zu verfolgen.

Die öffentliche Auflage der Unterlagen zum SIL-Objektblatt Flughafen Zürich und zur Teilrevision des kantonalen Richtplans, Kapitel 4.7.1 "Flughafen Zürich", dauert vom 23. August bis zum 29. Oktober 2010. Die Unterlagen können beim Baupolizeiamt, Neumarkt 4, 8400 Winterthur, eingesehen werden.



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